Haus kaufen ohne Eigenkapital
26.10.2023
Autor/-in
Patrick Herrmann
Kategorien
- Markt
- Kauf
- Vermittlung
Unterhält man sich mit Immobilieninteressentinnen und -interessenten über Finanzierungen, wird man früher oder später die Meinung hören, dass ein Hauskauf ohne Eigenkapital nicht möglich sei und dass ausschließlich Besserverdienende über die notwendige Finanzkraft verfügen. Doch ist das wirklich so? Oder gibt es auch Möglichkeiten, eine Wohnung oder ein Haus ohne Eigenkapital zu finanzieren?
Vollfinanzierung: die alternative Finanzierungsmöglichkeit
Viele Menschen verfolgen den Traum von den eigenen vier Wänden. Diese Entwicklung hat sich vor allem in der Zeit der Corona-Pandemie noch einmal deutlich verstärkt. Ein Blick auf die Immobilienpreise und die zuletzt stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten führte jedoch bei vielen Interessentinnen und Interessenten zu Ernüchterung. Die oft empfohlenen 20 bis 30 Prozent Eigenkapital können nur die wenigsten von ihnen aufbringen, weshalb eine Vollfinanzierung, also ein Kredit für eine Finanzierung ohne Eigenanteil, an Reiz gewinnt. Da diese Variante jedoch auch mit deutlich höheren monatlichen Belastungen und einem höheren Risiko einhergeht, sollte die individuelle Situation vorher genau abgeklärt werden.
Welche Vorteile bietet eine Vollfinanzierung?
Der größte Vorteil einer Vollfinanzierung besteht zunächst einmal darin, dass man eine Immobilie kaufen kann, ohne eigene finanzielle Mittel aufbringen zu müssen. Es gibt keine langen Wartezeiten und keinen langen Ansparzeitraum.
Auch in puncto Zinsen kann eine Vollfinanzierung vorteilhaft sein. Bei niedrigem Zinssatz ist sie unter Umständen günstiger als ein jahrelanges Ansparen von Geld. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Immobilienpreise und Zinsen in Zukunft stark steigen sollten und man bis zum Kauf weiter Miete bezahlen muss.
Ebenso kann man in Zeiten niedriger Zinsen von einer Vollfinanzierung profitieren, wenn man seine Ersparnisse mit höherer Rendite anlegen kann als in Form des Eigenkapitals. Voraussetzung hierfür ist, dass man genug finanziellen Spielraum hat, um die monatlichen Raten gut bedienen zu können. Zu guter Letzt gibt es auch noch einen großen Vorteil für alle, die die gekaufte Immobilie nicht selbst bewohnen, sondern sie als Kapitalanlage nutzen wollen. Je weniger Eigenkapitalanteil eingebracht wurde, desto mehr steigt die Rendite. Wichtig ist, dass die Mieteinnahmen höher sind als die Finanzierungskosten.
Risiken bei einer Vollfinanzierung genau abwägen
Wer über den Abschluss einer Vollfinanzierung nachdenkt, sollte sich dabei auch der Risiken bewusst sein. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Immobilienkauf insgesamt teurer ist und dass auch die monatlichen Raten höher ausfallen. Hinzu kommt, dass aufgrund der höheren Darlehenssumme unter Umständen eine längere Laufzeit gewählt werden muss. Die Abbezahlung der Baufinanzierung dauert also länger, was wiederum das Risiko für Zahlungsausfälle erhöht. Das ist auch ein Grund dafür, dass es für Selbstständige schwieriger ist, eine Vollfinanzierung zu bekommen, weil sie ein höheres Ausfallrisiko haben.
Wenn am Ende der Zinsbindungsfrist eine Restschuld übrigbleibt, bringt diese das Risiko mit sich, dass eine Anschlussfinanzierung zu ungünstigeren Konditionen aufgenommen werden muss. Und dieses Risiko steigt gerade bei hohen Darlehenssummen und entsprechenden Rückzahlungszeiträumen.
Mit diesen Zinssätzen muss man bei einer Vollfinanzierung rechnen
Bei der Baufinanzierung gehören die Zinsen zu den wichtigsten Kostenpunkten. Hier verlangen die Banken höhere Zinsaufschläge, um ihr höheres Risiko zu kompensieren. Je weniger Kapital man einbringt, desto höher fallen die Aufschläge aus.
Finanziert man mehr als 80 Prozent des Kaufpreises über Darlehen, muss man mit Aufschlägen von 0,3 und mehr rechnen. Finanziert man über 100 Prozent oder nutzt man die 120-Baufinanzierung ohne Eigenkapital, gibt es nochmal einen höheren Risikoaufschlag für den Nebenkostenanteil. Das liegt daran, dass dieser Finanzierungsteil nicht durch den Immobilienwert abgedeckt ist. Scheitert die Finanzierung und gibt es im Anschluss eine Zwangsversteigerung, kann ein Teil der Forderung abgeschrieben werden, da die Restschulden geringer ausfallen als der Versteigerungserlös der Immobilie.
Oft ist die hohe Gesamtbelastung bei einem Immobilienkauf ohne Eigenkapital auch darauf zurückzuführen, dass die Banken eine höhere Mindesttilgung festsetzen. Manche fordern zwei, andere sogar drei Prozent. Dadurch ist man zwar eher schuldenfrei, die monatliche Belastung steigt aber deutlich an.
Für wen eignet sich eine Vollfinanzierung
Nicht für jede Kreditnehmerin und jeden Kreditnehmer eignet sich eine Vollfinanzierung. Am wichtigsten sind zunächst einmal finanzielle Rücklagen und ein Einkommen, das groß genug ist, um die monatlichen Raten zu stemmen. Vorteilhaft ist dabei ein unbefristeter, sicherer Arbeitsplatz mit einer guten Zukunftsperspektive. Auch Sicherheiten wie weitere Immobilien sollten vorhanden sein. Ebenso müssen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer eine ausreichende Kreditwürdigkeit vorweisen (zum Beispiel über den SCHUFA-Bonitätscheck). Ein Hauskauf trotz negativer SCHUFA ohne Eigenkapital wird in der Regel nicht von Banken finanziert.
Um sich zusätzlich abzusichern, sehen sich Kreditinstitute die Immobilie im Vorfeld meistens deutlich genauer an als bei einer Baufinanzierung mit Eigenkapital. Hier spielen vor allem die Lage, die Qualität der Bausubstanz und der Standard der Ausstattung eine Rolle. So stellen sie sicher, dass sie das Haus im Falle eines Zahlungsausfalls zu guten Konditionen veräußern und aus dem Verkauf ihre Verluste decken können.
Risiken bestehen für Kreditnehmende vor allem bei Arbeitsplatzverlust. Denn auch in diesem Fall müssen die monatlichen Raten weiter gestemmt werden. Dieses Risiko kann man zwar versichern, aber dadurch entstehen zusätzliche Mehrkosten. Daher sollten sich vor allem diejenigen Interessentinnen und Interessenten für eine Vollfinanzierung entscheiden, die einen sicheren Arbeitsplatz haben.
Trotzdem Eigenkapitalverfügbarkeit prüfen
Oft ist Immobilieninteressierten der Umfang ihres Eigenkapitals gar nicht klar. Dann suchen sie nach einer Vollfinanzierung, obwohl sie eigentlich die Mittel für eine risikoärmere Baufinanzierung mit Eigenkapital haben. Es ist deshalb wichtig, die eigenen finanziellen Mittel vorab genau zu prüfen. Im Fokus sollten dabei stehen:
- Bargeldbestände
- Verfügbares Geld auf Konten
- Angespartes Kapital aus Bausparverträgen
- Aktien und Wertpapiere
- Rückkaufswerte aus Lebensfinanzierungen
- Bewertbare Grundschulden an anderen Immobilien
Wenn man nur wenig Eigenkapital hat, gibt es ebenfalls Wege, den Prozentsatz zu erhöhen. So kann man zum Beispiel die Kosten senken, indem man einzelne Renovierungsmaßnahmen selbst übernimmt oder indem man sich eine Immobilie zu einem geringeren Kaufpreis sucht. Hier gibt es verschiedenste Möglichkeiten, über die man sich am besten mit einer Immobilienexpertin oder einem Immobilienexperten unterhält. Alternativ sollte man Zeit einplanen, um Eigenkapital aufzubauen. Möglich ist dies zum Beispiel über einen Bausparvertrag, einen Privatkredit oder eine vorgezogene Erbschaft.
Hauskauf mit 50 Jahren ohne Eigenkapital – ist das möglich?
Oft stößt man auch auf die Frage, ob man mit 40 oder 50 Jahren noch eine Immobilienfinanzierung ohne Eigenkapital bekommen kann. Grundsätzlich ist hier erst einmal zu sagen, dass es kein gesetzliches Höchstalter für Baufinanzierungen gibt. Banken müssen den Wohnimmobilienkreditrichtlinien entsprechend jedoch dafür Sorge tragen, dass die Kreditschuld innerhalb der statistischen Lebenserwartung des Kreditnehmenden zurückgezahlt werden kann. Bei Finanzierungen mit mehr als 40 oder 50 Jahren gibt es entsprechend besondere Anforderungen, die auch das Eigenkapital betreffen.
Je älter man zu Beginn der Finanzierung ist, desto höher sollte auch der Eigenkapitalanteil sein. Hier sollten deutlich mehr eingeplant werden als die ansonsten empfohlenen Werte um die 20 %. Das liegt daran, dass das Risiko höher ist, dass die oder der Kreditnehmende noch während der Laufzeit verstirbt und dass die Raten nicht mehr gezahlt werden können. Banken haben also ein gehobenes Interesse daran, dass die Kreditschuld möglichst schnell abgetragen wird. Insofern wird eine Finanzierung ohne Eigenkapital mit dem Alter unwahrscheinlicher. Anders kann es schon aussehen, wenn man über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen verfügt oder wenn man sich die Finanzierung mit anderen Menschen teilt, die idealerweise deutlich jünger als 50 Jahre sind.
Fazit
Ob eine Vollfinanzierung sinnvoll ist, muss immer im Einzelfall entschieden werden. In jedem Fall ist es auch dann ratsam, sich als Alternative zur 110%-Finanzierung die 100%-Finanzierung anzusehen, bei der man zumindest die Nebenkosten selbst bezahlt. So bekommt man unter Umständen einen günstigeren Zinssatz und die monatlichen Raten fallen geringer aus.
Grundsätzlich ist es immer von zentraler Bedeutung, die Risiken einer Vollfinanzierung bzw. einer Immobilienfinanzierung mit geringem Eigenkapitalanteil genau abzuwägen. Vor allem bei Arbeitsplatzverlusten und anderen unvorhergesehenen Lebensereignissen besteht das große Risiko, dass die Raten nicht weiter gezahlt werden können, oder dass bei einer Zwangsveräußerung der Immobilie noch Schulden übrig bleiben. Grundsätzlich empfiehlt sich deshalb immer ein Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent. Weiterführende Fragen zum Thema sollten mit einer erfahrenen Immobilienmaklerin oder einem erfahrenen Immobilienmakler besprochen werden.
Sie möchten unsere Immobilienangebote sehen?
Autor/-in
Patrick Herrmann
Kategorien
- Markt
- Kauf
- Vermittlung